Berechnung eines eigenen ESG-Rating

Ein ESG-Rating, also für die Bereiche (1) Environmental, (2) Social und (3) Governance, zu kalkulieren ist mathematisch eigentlich eine leichte Aufgabe. Man muss nur, das ist allerdings die Herausforderung, alle „notwendigen“ Informationen objektiv in eine Kennzahl verwandeln. Aktuell gibt es einige Anbieter, die sich dieser Herausforderung stellen und sich für mehr Transparenz einsetzen. Unter ihnen finden sich u.a. MSCI, Arabesque s-ray, Sustainalytics, Yahoo. Eine Bewertung der Anbieter möchte und kann ich nicht vornehmen. In der Regel erscheinen auch nur einheitslose Kennzahlen. Für mich ist bisher nicht nachvollziehbar, wie die Plattform, aufgrund welcher Information, auf die jeweilige Kennzahl gekommt. Als Premium-Nutzer mag das anders sein. Ich vermute allerdings, die nicht-institutionelle Nachfrage ist eher gering. Privatinvestoren scheinen diese Informationsebene eher zu vernachlässigen.

ESG als Privat-Investor

Bei der Recherche nach ESG-relevanten Informationen scheitere ich als Hobby-Investor in der Regel allerdings schon an einem Unternehmen. Die Suche nach „objektiven“ Informationen stellt sich häufig Si­sy­phus­ar­beit heraus und auch eine unternehmensübergreifende Bewertung ist nicht ohne weiteres möglich. Ist jetzt die Abholzung des Regenwaldes schlimmer als die Verschmutzung des Grundwassers? Durch meinen beruflichen Hintergrund verstehe ich zwar etwas vom Umweltsektor und könnte die vorherige Frage halbwegs beantworten, aber über die Nachhaltigkeit im sozialen Bereich und der Unternehmensführung kenne ich mich nur geringfügig aus. In meinem Rating sollen und werden alle drei Bereiche allerdings gleichberechtigt behandelt.

Das ESG-Rating von MSCI

Bisher hatte ich mich lediglich auf die zusammenfassende Bewertung von MSCI berufen. Diese reicht von ‚CCC‘ auf der untersten Ebene bis hin zu ‚AAA‘ als beste Bewertung. Unternehmen mit einem sehr schlechten Rating hängen laut MSCI in ihrem Sektor hinterher, wesentliche ESG-Risiken zu managen. Sie weisen entsprechend große Versäumnisse und eine hohe Belastung auf. Unternehmen mit einem sehr guten Rating hingegen sind Branchenführer beim Umgang mit ESG-Risiken und auch den damit verbundenen Chancen.

MSCI Logo
Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/MSCI#/media/File:MSCI_logo_2019.svg

Meine Kritik am ESG-Rating von MSCI

Die verfügbaren Ratings von MSCI sind mir allerdings nicht immer schlüssig. Auf der einen Seite erhält Cisco ein ‚AA‘, zählt aber lediglich in zwei Kategorien zu den Branchenführern und sonst eher zum Durchschnitt. Auf der anderen Seite gehört AbbVie in gleich vier Kategorien zu den Vorreitern, allerdings im Bereich ‚Products Safety & Quality‘ auch einmal zu den Nachzügler, erhält allerdings nur ein ‚A‘-Rating . Leider hat MSCI auch nicht alle in meinem Depot befindlichen Unternehmen bewertet, wodurch ein paar unschöne Datenlücken entstanden sind. Zugegeben, MSCI wurde von mir dafür auch weder beauftragt noch bezahlt.

Zusammenführung eines ESG-Rating von MSCI und Arabesque s-ray

Um nicht von einem einzigen Anbieter abhängig zu sein, habe ich mich entschieden die Daten von MSCI und Arabesque s-ray zu gleichen Anteilen zu verarbeiten. Während man bei MSCI allerdings nur Informationen einzelner Unternehmen bekommt, kann man bei Arabesque s-ray auch sehr schöne Vergleiche ziehen. So kann man nach Unternehmen im gleichen Sektor, Land oder mit ähnlicher Marktkapitalisierung suchen. Für mich als Privatanleger eine tolle Möglichkeit nachhaltige und damit, so meine Annahme, zukunftsträchtige Unternehmen zu finden.

Arabesque s-ray Logo
Quelle: https://sray2.arabesque.com/

Für eine Zusammenfassung des MSCI-Ratings verwende ich alle Themenbereiche (Laggard = 3, Average = 2, Leader =1) und führe diese zu einem zentralen Wert zusammen. Dieser reicht von 1 (überall Leader) bis hin zu 3 (überall Laggard). In meinem Depot erreicht die Naturgy Energy Group derzeit mit 1,25 den besten Wert und Fastenal mit 2,2 den schlechtesten Wert.

Mein berechneter Wert von der Arabesque s-ray Website reicht von 0 bis möglichen 400. Dabei fließen sowohl alle Themen (Human & Labor Rights, Environment, Anti-Corruption) als auch der GC-Score, ESG-Score, Country-Rank und Sector-Rank mit ein. Die Grenzen setzen derzeit Amazon mit 6,6 am unteren Ende und Unilever mit 155,2 am oberen Ende. MSCI wertet die beiden Unternehmen übrigens recht ähnlich (Amazon mit ‚BBB‘-Rating und Unilever mit ‚A‘-Rating)

Am Ende werden beiden Ratings zu gleichen Teilen zu einem einheitlichen ESG-Rating berechnet.

Das ESG-Rating

Mein eigenes ESG-Rating reicht in der Theorie von 0 bis 10. Die Grenze nach unten bilden derzeit Kraft Heinz Company (KHC 2,7), aber auch Amazon (AMZN – 2,7) oder Alphabet (GOOGL – 2,9) befinden sich in der Bewertung weit unten. Derzeit am besten bewertet werden Novo Nordisk (NOVO B – 7,8), Unilever (UNA – 7,8) und auch SAP (SAP – 7,4).

ESG-Rating der Unternehmen im Depot
Eigenes ESG-Rating mit Daten von MSCI und Arabesque s-ray

Schwächen der Bewertung

Ein Rating ist letztendlich immer nur so gut, wie die Informationen, die in dieses Rating einfließen. Ob das Ganze jetzt zu 100% objektiv ist oder die Daten von MSCI oder Arabesque verlässlich sind, darauf habe ich keinen Einfluss. Auch die Siemens AG hat ein hervorragendes Rating. Siemens war aufgrund der Bereitstellung von notwendiger Technik beim Kohleabbau in Australien aber ebenso stark in die Kritik gerraten. Das Amazon bis 2040 komplett CO2-neutral sein will oder seinen Fuhrpark um 100.000 Elektrofahrzeuge ergänzt ist natürlich toll. Andere Kernthemen wie Überwachung der Mitarbeitenden, Gesundheitsschutz oder Mitarbeiterführung belasten so ein ESG-Rating aber ebenso. Und ob Unilever jetzt über Subfirmen den Regenwald roden lässt, aber dafür über ein hervorragendes ESG-Rating verfügt, ist leider schwierig objektiv zu beurteilen. Am Ende muss es jeder für sich selbst entscheiden. Meine Entscheidungen habe ich mit Hilfe meines ESG-Ratings für mich vereinfacht.

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